Mornin‘ has broken
… but not their spirits.
Mit absoluter Regelmäßigkeit wird man in Indien konfrontiert mit Rikshafahrern, die einem den letzten Nerv kosten. Man kann sich drehen und wenden wohin man will, immer taucht einer von ihnen (oder mehrere) neben einem auf und lässt sich kaum abwimmeln. Schlimm genug, wenn man gerade gar keinen Bedarf an einer Riksha hat. Noch schlimmer, wenn man Bedarf hat und gleichzeitig eine natürliche Abneigung dagegen, über’s Ohr gehauen zu werden … (hab ich schon erwähnt, dass ich Schwabe bin … Allgäuer Schwabe …?).
Ich bin ein harter Verhandler, und schon mehrmals bin ich aus einer Riksha ausgestiegen, wenn der Weg plötzlich eine Abzweigung zum Shop eines „uncle“ genommen hatte.
Manche Hotels werden von den Rikshafahrern nicht „gefunden“, weil die Hotels sich auf Rucksackreisende spezialisiert und als Service für die Gäste den Service für die Rikshafahrer (Provisionszahlungen) eingestellt haben. Dann lass ich mich halt einfach zum nächstliegenden Hotel fahren und gehe das letzte Stück zu Fuß, am verdutzten und manchmal zeternden Rikshawalla vorbei.
Wenn man mit dem Motorrad unterwegs ist, hat man sehr wenig mit Rikshafahrern zu tun. Ich glaube, das war der Knackpunkt, dass ich meine innere Abneigung nicht mehr aufrecht halten musste, weil ich wusste, dass ich nicht mehr auf ihre Dienste angewiesen bin.
Wenn man mit dem Motorrad unterwegs ist, fährt man tunlichst im Morgengrauen los, um dem Wahnsinnsverkehr zuvor zu kommen. Und dann sieht man sie, die überall am Straßenrand abgestellten Rikshas mit ihren gekrümmt darauf schlafenden Fahrern.
Und dann weiß man, dass die Rikshafahrer zum allergrößten Teil kein Heim haben, in das sie nach einem harten Tag zurückkommen und sich ausruhen können. Keine Familie, die auf sie wartet, kein Essen auf dem Tisch.
Die Familie ist vielleicht in irgendeinem kleinen Dorf zurückgebleiben und abhängig von jeder Rupie, die der Papa oder der Bruder oder der Sohn ihnen zu schicken imstande ist.
Und nein, der gemeine Rikshafahrer schläft nicht auf seiner Riksha, weil er sich keine Plastikplanenunterkunft am Straßenrand leisten könnte – er schläft auf seiner (meist gemieteten) Riksha, damit sie nicht geklaut werden kann.
Ich bin immer noch ein harter Verhandler, und wenn ein Rikshafahrer 50 Rupies für eine Fahrt haben will, von der ich weiß dass sie 20 Rupies kostet, dann geb ich nicht nach bis ich ihn auf 20 Rupies runtergehandelt hab. Wenn er mich nicht für 20 Rupies fahren will, dann wird halt nix draus. Und wenn er mich fährt, kriegt er bei der Ankunft das Doppelte.
Und wenn mehrere Fahrer an mir zerren, dann such ich mir den aus, der am wenigsten gut in Schuss ist, steig bei jeder Steigung ab und drück ihm dann nen extra Hunderter in die Hand, als Ablass für meine zurückliegende Verachtung und als Anerkennung dafür, dass er jeden Morgen seine schreckliche Nacht abschüttelt und sich stellvertretend für viele um mein und sein Fortkommen kümmert.
Zusammen mit dem Hunderter trete ich ihm mein Recht auf’s Angepisstsein ab. Wenn jemand mehr Recht darauf hat, sich angepisst zu fühlen als ich, dann doch wohl der gemeine Rikshafahrer.
Und schon wieder bin ich feiner raus als er.